hr-iNFO Büchercheck: Die Lebenden reparieren von Maylis de Kerangal

hr-iNFO Büchercheck: Die Lebenden reparieren von Maylis de Kerangal

30.07.2015

Maylis de Kerangal ist Ende 40. Sie hat bereits mehrere Romane geschrieben und ist mit Preisen überhäuft worden. Wenn man „Die Lebenden reparieren“ gelesen hat, weiß man warum.
hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Der 20jährige Simon fährt mit zwei Freunden zur Küste bei Le Havre. Sie sind begeisterte Surfer, haben ihren Spaß, feiern das Leben. Erschöpft fahren sie in einem alten Liefer-wagen nach Hause. Simon schnallt sich nicht an. Der Wagen kommt ins Schleudern, Simon prallt mit dem Schädel gegen die Windschutzscheibe. Sein Hirn ertrinkt im Blut. Dann läuft alles ab wie in einem minutiösen Programm. Die Eltern kommen in die Klinik, entsetzt. Aber für Trauer ist keine Zeit. Fachleute in der Klinik wollen Simons Organe. Sie sollen andere Leben retten. Verzweiflung, Hilflosigkeit und dann doch die Zustimmung der Eltern. Im zweiten Teil des Buchs läuft dann die Verwertungs- maschinerie.

Wie ist es geschrieben?
Maylies de Kerangal ist eine großartige Erzählerin. Einerseits trägt sie nüchtern gut recherchierte medizinische und juristische Fakten zusammen. Andererseits beschreibt sie kraftvoll, manchmal sogar hymnisch und auch schonungslos die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonisten. Und es gelingt ihr, dem Grauen eine poetische Stimmung zu entlocken, zum Beispiel als der Pfleger Simons Leiche zunäht und wäscht.
„Es ist ein geschändeter Körper, Gehäuse, Karkasse, Haut. Und diese Haut nimmt allmählich die Farbe von Elfenbein an. Ist es die Geste des Nähens, die den Gesang des Aöden, des Rhapsoden der alten Griechen, heraufbeschwört, ist es Simons Gesicht, die Schönheit des eben erst der Meereswelle entstiegenen jungen Mannes, sein Haar, noch voll Sand und gelockt wie das der Gefährten des Odysseus, was ihn verwirrt, ist es seine kreuzförmige Narbe? Jedenfalls fängt Thomas an zu singen. Ein leiser Gesang, kaum hörbar für jemanden, der sich mit ihm im Raum befände, ein Gesang, der die zur Totenwaschung gehörenden Handgriffe untermalt, der sie begleitet und beschreibt.“
Die Konzeption des Romans ist der zweite große Kunstgriff de Kerangals. Sie erzählt die 24 Stunden multiperspektivisch. Aus der Sicht Simons, seiner Eltern, der Ärzte, Pfleger,  Krankenschwestern und Organ- empfänger.

Wie gefällt es?
Ich habe viel gelernt zum Thema Organtransplantation. Ein beeindruckendes Buch, das seinen Lesern Kraft abverlangt, sie aber bereichert.

hr-iNFO

 

19,95 € inkl. MwSt.
innerhalb Deutschlands versandkostenfrei
gebundenes Buch, 255 S.
Sprache: Deutsch
Suhrkamp
ISBN: 9783518424780

Unsere Buchtipps

Lieferbar innerhalb ca. einer Woche

Lieferbar innerhalb ca. einer Woche

Lieferbar innerhalb 24 Stunden